Wahrscheinlich haben viele von Euch schon von dem psychologischen Phänomen "Hochstaplersyndrom" gehört. Es geht darum, dass Menschen, die von diesem Syndrom betroffen sind, von massiven Selbstzweifeln gequält werden und davon ausgehen, dass sie eigentlich an der falschen Stelle sind. Sie haben die ganze Zeit das Gefühl, sie könnten auffliegen mit dem, was sie verkörpern und denken, dass irgendjemand dahinter kommen wird, dass sie eigentlich die Erfolge, die auf ihren Fahnen oder in ihren Zeugnissen oder in ihrem Lebenslauf stehen, gar nicht verdient haben und dass es eigentlich gar nicht Ihre echten, wahren Erfolge sind. Und lustigerweise habe auch ich an dieser Stelle das Gefühl, mich rechtfertigen zu müssen, warum ich mich bemüßigt fühle, zu diesem Thema etwas zu sagen, weil ich selbst Betroffene bin von dem Hochstaplersyndrom.
Zu den Merkmalen dieses Syndroms gehört es zum Beispiel, dass man versucht, die vermeintliche Unzulänglichkeit zu überkompensieren und negative Glaubenssätze in Bezug auf den eigenen Erfolg hat. Das Hochstaplersyndrom findet sich besonders häufig bei Menschen, die akademisch gebildet sind und die konstant das Gefühl haben, sich genug weiterbilden zu müssen, um zu rechtfertigen, dass sie in der Position sein dürfen, in der sie sind.
Erfolge werden entsprechend eher externen Umständen zugeschrieben und Misserfolge werden auf die eigene Unfähigkeit oder Unzulänglichkeit geschoben. Ein interessantes Phänomen ist zudem, dass das Impostor Syndrom, wie es auf Englisch genannt wird, vorwiegend bei als Frauen gelesenen Personen auftritt. Es gibt natürlich auch Männer, die unter dem Hochstaplersyndrom leiden. Aber zuerst ist es eben auch entdeckt worden bei Frauen, in einem Artikel, in welchem dieses Impostor Syndrom das erste Mal beschrieben wurde. Es ist kein nur "weibliches" Phänomen, aber stereotype Anforderungen an junge Mädchen, an weiblich gelesene Personen begünstigen die Entwicklung von so einem Imposter Syndrom.
Wie meine ich das? Die Anforderungen, die an weiblich gelesene Personen gestellt werden, sind zum Beispiel, Karriere zu machen und gleichzeitig tolle Mütter zu sein, gut auszusehen, treue und liebevolle Partnerinnen zu sein. Und das natürlich alles gleichzeitig. Und dabei auch nicht zu viel zu wollen usw.. Und zusätzlich gibt es auch eine strukturelle Benachteiligung, die hier nicht Thema sein soll, dass Frauen einfach weniger für interessante Posten erwogen werden und sich mit schlechterer Bezahlung sich zufrieden geben sollen usw. Und dieses Konglomerat an Normen und gesellschaftlichen Erwartungen kann das Gefühl begünstigen, nicht gut genug zu sein. Ein Teil der Ursache davon ist diese Double-Bind-Kommunikation. Double bind heißt doppelte Botschaft und bezeichnet ein Phänomen, bei dem widersprüchliche Botschaften gleichzeitig ausgesandt werden: Tu dieses und tu es gleichzeitig nicht. Zum Beispiel: Du solltest dich möglichst attraktiv kleiden, aber sobald es zu sexy wird, ist es ein Problem. Oder Frauen, die in politischen Ämtern sind, sollten nicht zu weich sein. Aber wenn sie zu hart sind, dann gelten sie als unempathisch und unsympathisch. Oder das alte Spielchen: Wenn du mit Kind arbeitest, bist du eine Rabenmutter, und wenn du mit Kind nicht arbeitest, bist Du unengagiert oder eine faule Socke oder so was. Nochmal: Mit diesen doppelten Botschaften sind natürlich weiblich gelesene Personen nicht alleine. Auch viele Männer leiden unter den widersprüchlichen Anforderungen, die an sie gestellt werden, z.B. gleichzeitig liebevolle und präsente Väter zu sein und trotzdem Familienernährer etc.. Ich weiß, das ist jetzt stark aus der Klischeekiste, aber genau darum geht es ja: um diese traditionellen Rollenerwartungen, die eben in sich schon Unmöglichkeiten beinhalten und deswegen das Ungenügend-sein immanent haben. Man kann diesen Erwartungen nicht gleichzeitig entsprechen können. Und dadurch stellt sich ganz automatisch ein Grundrauschen der Unzulänglichkeit ein. In manchen Situationen begleitet es einen natürlich mehr, in anderen weniger. Manchmal habe ich mir meinen eigenen Doktortitel nicht wirklich abgenommen, obwohl ich ja genau weiß, dass ich da vier Jahre dran gesessen und gearbeitet habe.
Also was könnt Ihr machen, wenn Ihr feststellt, dass Ihr auch immer wieder an diesem Impostor Syndrom oder Hochstaplersyndrom leidet? Eine beliebte und auch sehr wirkungsvolle Methode ist, sich tatsächlich die eigenen Erfolge aufzuschreiben. Das hilft doppelt, weil es dem Selbstbewusstsein auch wieder Input gibt in Hinblick darauf, was man alles so am Tag leistet und gleichzeitgi auch noch zusätzlich wie Gedankenmonitoring wirkt, das bedeutet, dass ich überprüfe, was ich denn eigentlich über meine eigenen Leistungen denke. Wenn ich meine Erfolge dann geschrieben sehe und mir anschaue, kann ich auch mehr oder weniger objektiv hinterfragen: "Ach, da hast Du Dich so schlecht gefühlt? Dabei hast Du doch ein hervorragendes Feedback bekommen..."
Feedback ist ein anderer Punkt: sich aufzuschreiben, wenn andere Leute einem Positives rückmelden, das kann auch wunderbar wirken, weil ja ein Aspekt des Impostor-Syndroms ist, dass man sich selbst nicht glaubt. Aber anderen Leuten würde man schon viel eher glauben, wenn diese überzeugt davon sind, dass man eben doch was drauf hat.
Eine weitere wichtige Sache beim Impostor-Syndrom ist das Gedankenmanagement. Ich habe das ja schon an anderen Stellen gesagt, zum Beispiel, im Beitrag "Denken, fühlen, handeln". Oder, wo es um Manifestation geht, dass Gedankenmanagement und der Fokus, den ich setze, ganz viel darüber entscheidet, wie ich mich fühle, wie ich dann denke und wie ich handle. Wenn ich mich jetzt zum Beispiel von einer Aufgabe überfordert fühle, ist es sinnvoll, zu denken: "Ich nehme die Herausforderung an. Ich probiere es aus, lass mich rausfinden, wie ich es schaffe, auf welche Art und Weise ich es schaffen kann und was sich da für Überraschungen einstellen können. " statt zu denken: "Das schaff ich bestimmt sowieso wieder nicht."
Und da finde ich den Begriff Selbst-Vertrauen einen total entscheidenden. Denn es geht auch darum, sich zu überlegen: "In welchen Punkten kann ich mir denn vertrauen? Wo kann ich mich denn wirklich auf mich verlassen?" Häufig wird das Wort Selbst-Vertrauen als ein feststehender Begriff verwendet, aber nicht die einzelnen Bestandteile des Worts hinterfragt. Denn das Wort Selbstvertrauen enthält das Selbst und enthält Vertrauen. Und Vertrauen kann ich nur haben, wenn ich weiß, auf welche Weise ich mich auf jemanden verlassen kann. Und dafür ist es wichtig, dass ich weiß, in welchen Punkten und wie ich mich auf mich verlassen kann. Das ist Selbstvertrauen: zu wissen, was ich kann und was ich nicht kann. Das ist Selbstvertrauen: zu wissen, wo kann ich mich auf mich verlassen? Wo bin ich stabil? Wo habe ich meine Ressourcen?
Es ist wichtig, schädliche Gedanken zu hinterfragen. Also wenn ich denke "...Bin ich doof..." oder etwas in der Richtung, auch da wieder Gedankenmanagement zu betreiben und danach zu fragen: Bin ich das wirklich? War ich jetzt an der Stelle wirklich doof oder hat mir einfach eine entscheidende Information gefehlt, war ich einfach abgelenkt, waren vielleicht Gefühle im Spiel, die ich nicht berücksichtigt habe? Es ist wichtig, solche schädlichen Gedanken auch einfach zu objektivieren und neu zu formulieren, um zu objektiveren Ergebnissen gelangen zu können.
Ihr merkt schon, es geht in Richtung Coaching und Selbstcoaching, was ich hier sage. Man muss es alleine hinkriegen. Man kann sich da auch helfen lassen, eigene Blockaden zu überwinden, wenn man beispielsweise stark unter dem Hochstaplersyndrom leidet, wenn es einen Leidensdruck gibt. Man muss da nicht alleine durch. Meine Kontaktdaten habt Ihr ja, siehe unten
Und noch eines: Überlegt Euch gut, mit wem ihr Euch vergleichen wollt, wo es Sinn ergibt, sich zu vergleichen und wo nicht. In den meisten Fällen ergibt es Sinn, sich mit sich selbst zu vergleichen, mit einer früheren Version von sich selbst und dann festzustellen, dass man sich eben doch entwickelt hat.
Und alle anderen sind alle anderen.
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