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Mobile Kommunikation und unsere Grenzen

Aktualisiert: 2. Aug. 2023

Ich weiß noch, dass ich bis circa 2014 relativ wenig mit dem Handy gemacht habe. 2014 war das Jahr, in dem wir nach China gezogen sind, nach Shanghai. Ab da war das Smartphone mein ständiger Begleiter und wurde wirklich existenziell wichtig. Ich bin viel mit dem Handy herumgelaufen und brauchte es oft einfach, um den Weg zu finden oder Konversation zu betreiben. Ich habe zum Beispiel auf Englisch eingegeben, was ich sagen wollte, und das wurde dann auf Chinesisch ausgespuckt und so weiter.


Es war also unheimlich wichtig, ständig mein Handy bei mir zu haben. Es war auch für den Kontakt zu den Menschen zu Hause, die wir in Deutschland zurückgelassen hatten, sehr wichtig. Es war großartig und sehr wertvoll, über soziale Medien und Messenger-Dienste in Kontakt bleiben zu können. Jetzt ist die mobile Kommunikation aus unserem Alltag gar nicht mehr wegzudenken, und wir sind ständig mit dem Handy und anderen Menschen in Kontakt.


Und da wir ständig erreichbar sein können, müssen wir unsere persönlichen Grenzen bewusster setzen. Früher war es klarer, dass Privates und Berufliches getrennt waren. Es gab bestimmte Zeiten und Orte für private und berufliche Kommunikation. Die Art der Kommunikation war klar definiert. Jetzt gibt es eine größere Vermischung zwischen dem, was ich öffentlich teile, und dem, was früher eindeutig zur Privatsphäre gehörte. Die Trennlinie zwischen dem, was als privat gilt und was öffentlich ist, wird immer dünner. Das kann dazu führen, dass es schwierig ist, sich abzugrenzen und bewusste Ruhephasen einzulegen, aufgrund der ständigen Erreichbarkeit und der Erwartung, sofort auf Nachrichten zu reagieren, egal ob privat oder beruflich. Diese Erwartung kann zu einem Druckgefühl und einem Gefühl der Überwachung führen, wenn zum Beispiel ein Partner oder Freund/Freundin erwartet, sofort zu antworten. Darum ist es an der Stelle umso wichtiger, dass wir unsere Fähigkeit entwickeln, auf unsere eigenen Bedürfnisse und Grenzen zu achten.


Ein weiterer Punkt ist die Fragmentierung der Aufmerksamkeit. Ständige Benachrichtigungen können uns ablenken. Jede Benachrichtigung kann potenziell dazu führen, dass wir uns ablenken lassen, je nachdem wie wir darauf reagieren. Es hängt auch von den Privatsphäreinstellungen und unserer Konzentrationsfähigkeit ab, ob wir den Fokus aufrechterhalten und uns vollständig auf eine Sache einlassen können. Diese fragmentierte Aufmerksamkeit kann dazu führen, dass wir unsere Offline-Beziehungen vernachlässigen. Obwohl wir physisch anwesend sind, sind wir "nicht da". Das kann eine Distanz schaffen und es kann schwierig sein, sich wirklich auf das Gegenüber einzulassen, da wir so daran gewöhnt sind, mit kurzen Nachrichten und einer kurzen Aufmerksamkeitsspanne zu kommunizieren.


Eine Sache, die auf jeden Fall hilft, ist ein separates Arbeits- und Privathandy. Ein Handy ist nur für berufliche Zwecke und das andere nur für private Zwecke. Dadurch kann man sie auch räumlich trennen. Bei den meisten Jobs muss man nicht ständig beruflich erreichbar sein, es sei denn, man ist Notarzt oder Feuerwehrfrau. Letztes Jahr war ich ein Wochenende komplett alleine unterwegs. Kurz davor ist mein Handy kaputt gegangen. Das hat mir sehr gut getan. Obwohl es keine bewusste Entscheidung von mir war, konnte ich mich wunderbar auf mich selbst und meine Gedanken konzentrieren.


Man kann auch einfach den Menschen, die eine Rückmeldung erwarten, Bescheid sagen, dass man für ein Wochenende oder einen Tag nicht erreichbar ist. Bei Vorgesetzten sollte ohnehin klar sein, dass die Freizeit des Arbeitnehmers respektiert wird. Je klarer wir unsere (digitalen) Grenzen kommunizieren, z.B. dass wir am Wochenende beruflich nicht erreichbar sind, desto mehr Verständnis können wir von anderen Menschen erwarten. Wenn wir bisher immer rund um die Uhr erreichbar waren, kann das natürlich eine Herausforderung für die Menschen in unserer Umgebung sein, die plötzlich keine sofortige Reaktion mehr bekommen. Sie könnten sich fragen, ob etwas nicht stimmt in unserer Beziehung oder ob es uns nicht gut geht.


Um der Fragmentierung der Aufmerksamkeit entgegenzuwirken, empfehle ich, Bücher zu lesen. Das hilft beim Fokussieren. Man taucht in eine andere Welt ein und wenn das Buch spannend ist, kann es einen packen. Ich empfehle, sich von Buchhändlern Bücher empfehlen zu lassen, die einen wirklich in den Bann ziehen können. Das trainiert uns, die Aufmerksamkeit bei einer Sache zu halten. Im Falle eines Buches ist es natürlich eine andere Welt, in die wir eintauchen. Aber es ist eine großartige Möglichkeit, das Fokussieren wiederzuentdecken.


Das war's. Ein Plädoyer für einen bewussten Umgang mit mobiler Kommunikation, für bewusste Entscheidungen darüber, wann das Handy aus ist und wann wir erreichbar sind und wann nicht. Diese Entscheidungen sollten klar kommuniziert werden. Viel Spaß beim Ausprobieren.



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